Sonntag, Juni 28

Teil 5


Bevor sich Rebyc schlüssig war, was er tun möchte, geschah mit ihm etwas, das er Zeit seines sehr langen Katzenlebens nie vergessen würde. Eine Hand packte ihn und steckte ihn in eine Stahlkammer mit einer Höllenmaschine. Nachdem sich Rebyc vom ersten Schreck erholt hatte, versuchte er, das Gerät genau zu inspizieren. Dieses war gut abgesichert gegen einen direkten Zugriff. Dennoch konnte er von aussen eine Apparatur mit einer winzigen Menge radioaktiver Substanz, einen Geigerzähler, einen Hammer sowie eine Flasche mit Blausäure entdecken. Im Laufe einer Stunde konnte vielleicht eines der Atome zerfallen, ebenso wahrscheinlich aber auch keines; geschah es, so sprach das Zählrohr an und betätigte über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmerte. Hatte man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so konnte man sich sagen, die Katze lebe noch, wenn inzwischen kein Atom zerfallen war oder sie sei tot, wenn sie durch einen Atomzerfall mit Blausäure vergiftet worden war.   
Die Hand, die Rebyc in die Kiste gesperrt hatte, gehörte einem Herrn namens Schrödinger. Er war ein junger Wissenschaftler, der sich mit Quantenmechanik befasste und dem Rebyc für ein Experiment gerade im richtigen Moment in seiner Gedankenwelt begegnet war.
Er wollte, wie er der Cyber-Katze erklärte, aufzeigen, dass sie tot und gleichzeitig quicklebendig sein könne, solange sie niemand anschaue. Erst ein Beobachter vermöge die Wirklichkeit, das Entweder-oder, zu definieren.
Die Frage nach dem Zustand der Katze, wenn man nicht in die Kiste schaut, sollte Erwin, der sich Rebyc mit seinem Vornamen vorgestellt hatte, als Analogie zur Frage nach dem quantenmechanischen Zustand eines Systems dienen, solange keine Messung vorgenommen wird.
Um Rebyc ein angenehmes Dasein in der Kiste zu ermöglichen, gab ihm Erwin eine kleine Gummimaus zum Zeitvertreib. Dann wünschte er ihm viel Glück und legte den Deckel über die Kiste. Rebyc war zuerst starr vor Entsetzen, dann vor Empörung. «Was stellt sich dieser Erwin vor! So etwas lässt sich ein Cyber-Büsi nun wirklich nicht bieten! Und die blöde Gummimaus stellt ja den Gipfel der Frechheit dar. Wenn es wenigstens ein virtuelles Mäuslein wäre. Aber davon hat der Kerl wohl keine Ahnung. Ha! Wahrscheinlich versteht er nicht mal was von Glasfaserkabeln und 5G!» Rebyc schnaubte vor Wut. Seine schwarzen Barthaare zitterten und die violetten Ohren verfärbten sich gelb.» Als Erwin Schrödinger den Rücken drehte, hob Rebyc den Kistendeckel und verschwand bald darauf im Glasfaserkabel, um mit beinahe 300000 Kilometren in der Sekunde davonzusausen.