Nach einigen Stunden zwirbelt Flocki sanft den Trichter wieder hinunter und landet auf einer wunderschönen Palme. Unter sich ist den schönsten Sandstrand, den man sich denken kann. Schnee weisser feiner Sand, das Meer schimmert türkisfarben, eine leichte Brandung bringt kleine weisse Wellen mit Schaumkrönchen ans Ufer. Die Sonne erstrahlt von einem wolkenlosen blauen Himmel, einige Rabenkrähen fliegen herum und suchen gestrandete Meerestiere. Im Sand gibt es Muscheln in allen Formen und Grössen, hie und da huscht ein Krebs in seinem Rückwärtsgang über den Sand und hinterlässt feine Spuren. Aus kleinen Löchern fliegen kleine Sandgeschosse wie Bomben heraus von Krebsen, die sich einbuddeln. Nicht weit weg von Flockis Palme ist eine Mangrovenhalbinsel mit vielen verschiedenen Bewohnern, fremdartigen Vögeln und Echsenarten. Die Luftwurzeln verankern sich im seichten Sand.
Nun schaut sich Flocki um. Hinten gegen das Land steht eine wunderschöne Hotelanlage mit einem riesigen Park mit den schönsten Bäumen, einem grossen Banyanbaum und wunderschönen Blumenbeeten. Zelte sind aufgestellt. Eine Musikkapelle spielt. Viele Menschen in wundervollen farbigen langen Kleidern stehen herum und plaudern. Alle sind fröhlich. Lange Tische mit silbernen Platten mit den feinsten Speisen werden von Dienern mit Turbanen vorbereitet.
Plötzlich kommt eine silberne Hochzeitskutsche von 6 weissen Pferden gezogen angerollt. Eine junge wunderschöne Frau in einem golden und silbernen Brokatkleid mit Goldketten behangen und goldenen Ringen an den Armen und Goldschmuck im tiefschwarzen Haar sitzt vorne, auf dem Gesicht zeigt sie ein verkrampftes Lächeln durch den feinen schimmernden Schleier. Neben ihr sitzt ein behäbiger steif gekleideter Mann mit klaren Gesichtszügen. Auf seinem Anzug prangen breite Silberquasten. Er steht auf und gebieterisch hält er die Zügel und die Pferde stoppen. Braut und Bräutigam entsteigen der Kutsche und erklimmen ein Podest, welches gegen das Meer aufgestellt wurde mit glitzernden Bändern umhüllt . Die Sonne neigt sich langsam zum Untergang und lässt das Meer rötlich erscheinen. Ein Priester rezitiert Sanskrit Mantras, welche die Anwesenden nachsprechen. Bei Sonnenuntergang übergibt der Brautvater seine Tochter dem Bräutigam. Vier geschmückte Elefanten mit wunderschönen Tragkörben erscheinen in würdevollem Schritt. Braut und Bräutigam sitzen auf. Es folgt ein riesiges Fest mit Musik. Dies ist eine indische Brahmanenhochzeit, die oft tagelang dauert mit all ihren Reinigungsritualen, Kennenlernzeremonien der Angehörigen der Brautleute.
Braut und Bräutigam wurden sorgfältig ausgesucht von den Eltern. Es steht viel Geld auf dem Spiel.
Flocki sieht staunend zu.
Um Mitternacht fliegt Flocki gegen ein letztes erleuchtetes Fenster beim Märchenhotel und was sieht sie?
Die Braut sitzt mit aufgelösten schwarzen langen Haaren und einem leichten Sari bekleidet in einem mit einem blauen Baldachinbedeckten Bett und weint. Neben ihr das Handy. Soeben hat sie mit ihrem Freund an der Universität telefoniert. Die beiden studierten zusammen und liebten sich und hatten nicht die Kraft oder Möglichkeit zusammen zu bleiben. Die familiäre Tradition und die Angst vor Bestrafung war grösser als ihre Liebe und das Mädchen schickte sich in die arrangierte Hochzeit. Den Bräutigam hat sie erst vor einer Woche kennengelernt, er scheint ein korrekter Mann zu sein und wenigstens hatte er zugestimmt, dass sie fertig studieren darf, was gar nicht üblich ist. So sieht sie sich nun einer ungewissen Zukunft gegenüber und weiss nicht wie ihr Herz sie weiter steuert. Mit der Tradition oder gegen die Tradition. Im Moment fühlt sie nur eine Leere.
Solche Schicksale gibt es viele in reichen und armen Familien, einige Ehen enden gut, andere sind der Horror für die Frauen.
Flocki sitzt verwirrt auf der Fenstersims und fragt sich, warum immer alles so kompliziert sein muss. Sind diese Menschen aber komisch!