Obwohl seit 150 Jahren Bemühungen da sind das Kastendenken und die Kastendiskriminierung abzuschaffen, sind nur die grausamsten Züge dieses Denkens abgeschafft. Kein "Unberührbarer" muss heute um einen Brahmanen in der obersten Kaste einen Bogen machen, kein Tempel ist ihm verschlossen aber die Kastenlosigkeit ist geblieben, auch heute sind die Strafen der Kastenhindus gegen Kastenlose und Kastenvermischung grausam. Auch Ghotam ist tief in diesem Denken verwurzelt. Jeder hat sich seine Kaste oder Kastenlosigkeit verdient, er wird entsprechend der Qualität seiner Arbeit, seines Tuns wiedergeboren, dies ist sein Karma. Es gibt keine Ungerechtigkeit auf der Welt. Menschen, die es besser getroffen haben müssen kein schlechtes Gewissen gegenüber sozial Schwächeren haben. Besser ist es, die eigene Kastenpflicht mangelhaft zu tun, als die Pflicht einer anderen Kaste gut zu tun. Frei von Schuld bleibt man nur, wenn man das von der Natur auferlegte Tun erfüllt. So bereitet der Oberkoch nur das Essen für die Herrschaft und sich selbst und nicht für das Dienstpersonal. Händler von Trinkkokosnüssen werfen die leeren Nüsse auf die Strasse und zeigen so, dass es Leute gibt, die die Strasse säubern.
Der Wunsch und das Ziel eines Hindu ist es durch kastengemässes Tun in einen höheren sozialen Stand wiedergeboren zu werden. Kastenkonformes Handeln führt nach oben, kastenwidriges nach unten!

Dann macht er sich auf den Heimweg, das Fahren auf seinem alten klapprigen Töff ist mühsam, seine offenen Wunden schmerzen. An jedem Tempelchen oder Natur-Altar legt er eine Kokosnuss und Blumen nieder. Für sich selbst gönnt er sich nur wenig Nahrung, etwas Reis oder Samosas.
In seinem Dorf geht er sofort zur desaströsen Krankenstation, um Tabletten zu holen. Aber ausser Paracetamol ist nichts verfügbar, Ghotam erhält einige Mullbinden für seine Schwären. Er legt eine Rupie hin und geht. Zuhause verteilt er seiner Familie etwas Reis und Gemüse. Seine Frau und Kinder staunen.
Dann erklärt er, dass er wieder Mut gefasst habe und in zwei Wochen nochmals nach Kalkutta gehe, um seine Blutwerte und frische Medikamente zu erhalten. Er könne geheilt werden, wenn er die Medikamente regelmässig einnehme. Von seinen Rupien im Sack erzählt er nichts. Den Hausaltar schmückt Ghotam mit einer schönen Blumengirlande. In den nächsten Tagen bringt er all seinen Verwandten Nahrung und hilft wo er kann. Ghotam hat auch feste Pläne wieder zu arbeiten als Strassenputzer und er freut sich darauf und will seine Arbeit gut machen. Seine Kinder sollen zur Schule gehen können, dafür will er sorgen.
Flocki staunt, wie einfach und genügsam Ghotam ist und keinerlei Gedanken hat, aus seiner armseligen Welt auszubrechen. Aber vielleicht liegt das Glück gerade darin, ein Ziel zu haben und seine Arbeit gut zu machen.