Doch irgendetwas
schien anders an Horaks Fell. Die bunten Polarlichter widerspiegelten sich
darin. Wie ein fluoreszierender Bär sah Horak aus! Und riesig… oder doch eher
klein? Horak war so nah aber doch so fern und plötzlich gar nicht mehr zu sehen.
«Aber die feuchte Schnauze, ich habe sie doch soeben gespürt?!» Verwundert
schaut Ajatuk nach ihrer linken Hand. Ohne klaren Umrissen und völlig
verschwommen, konnte sie die Kontur von fünf Fingern ausmachen. Einen
Augenblick später, war die Hand glasklar erkennbar aber von einer stechend
eisigen Kälte umgeben. Schnell senkte Ajatuk wieder ihre Hand und hörte ein
pflatschendes Geräusch. Es widerhallte sich abermals – ein gefühltes
hundertjähriges Echo. Mit jeder Wiederholung empfing Ajatuk visuelle Signale ihrer
Umgebung. Alle Elemente um sie herum waren ihr bekannt aber noch nie hatte sie
ihnen so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es sah so aus als schwebte ihr Kopf in
einem liquiden, Polarlichter-verzerrendem Spiegel. Eine angenehme Wärme
verspürte sie an ihrem Körper. Genau dieselbe Wärme, welche sie vor
Sekundenbruchteilen an ihrer Hand verspürte und fälschlicherweise als Horaks Schnauze
interpretierte. Da schoss ihr eine gelb-orange flackernde Lichtquelle in die
Augen. Und wieder der Umriss… wer war das?! Sie bewegte sich in Richtung der
Lichtquelle in der Hoffnung einen besseren Blick zu gewinnen. Das Fortbewegen
fühlte sich völlig schwerelos an, als wäre sie auf dem Mond. Ihre Gedanken
schossen wie eine Rakete mondwärts. «Was wäre wohl interessanter, die Mondkrater
oder eher die Mondmeere auskundschaften? Oder sogar die dunkle Seite des
Mondes? - Aber Stopp! Der Umriss! Eins
nach dem Andern!» Usnea dämmerte es langsam was geschehen war. Die Lichtquelle,
das Feuer, der Umriss, Usnea… und dann diese komische Flechte!
Usnea kannte diese grenzenlose transzendente
Welte schon gut. Als Schamanin war sie sich solche Exkursionen gewohnt. In
weiser Voraussicht bereitete sie noch ein Feuer und einen kleinen Holzvorrat
vor. Die warme Quelle, war einer ihrer Lieblingsorte. Nirgendwo sonst konnte
man sich stundenlang draussen, in dieser polaren Kälte, aufhalten, Sterne -
eingebettet in Polarlichtern – beobachten und eine Verbindung mit der Mitwelt
aufbauen. Das mussten sie tun, um endlich Horaks Spur zu wittern. Es war noch
keine 10 Minuten her, dass Usnea und Ajatuk diese Entscheidung trafen. Ajatuks
Sehnsucht nach Horak war unermesslich. Sie wollte ihren Eisbären, mit dem
flauschigen Fell, endlich wieder in die Arme nehmen können. Unter diesen
Umständen und mit ihrem Vertrauen in Usnea, eine erfahrene Schamanin, dachte
sich Ajatuk, dass auch sie den Schritt ins Unbekannte wagen will.
Usnea stieg zu Ajatuk,
ins wohlig warme Wasser hinab. Ajatuk war nach wie vor von ihrer direkten
Umgebung fasziniert. Jedes Wasserdampfwölkchen, welches sich von der
Wasseroberfläche löste und in den Nachthimmel stieg, erschien ihr wie ein
eigenes Universum. Ihre Gedanken waren aber klar und sie wusste, dass sie mit
Usnea in guter Gesellschaft war. Dann passierte es! Urplötzlich katapultierte
sich Ajatuks Bewusstsein in eine andere Dimension. Unerforscht, aber irgendwie
doch bekannt. Sie meinte, sich selbst zu sehen - in einer farbigen Suppe und
Usnea war auch neben ihr.
«Willkommen in der
transzendenten Welt der Schamanen. Hier ist alles möglich und deiner
Vorstellung sind keine Grenzen gesetzt. Halte immer dein Ziel und deine Absicht
vor Augen.» hörte Ajatuk in Usneas beruhigender Stimme.
geschrieben von Maki