Mittwoch, Mai 6

Teil 13


Doch irgendetwas schien anders an Horaks Fell. Die bunten Polarlichter widerspiegelten sich darin. Wie ein fluoreszierender Bär sah Horak aus! Und riesig… oder doch eher klein? Horak war so nah aber doch so fern und plötzlich gar nicht mehr zu sehen. «Aber die feuchte Schnauze, ich habe sie doch soeben gespürt?!» Verwundert schaut Ajatuk nach ihrer linken Hand. Ohne klaren Umrissen und völlig verschwommen, konnte sie die Kontur von fünf Fingern ausmachen. Einen Augenblick später, war die Hand glasklar erkennbar aber von einer stechend eisigen Kälte umgeben. Schnell senkte Ajatuk wieder ihre Hand und hörte ein pflatschendes Geräusch. Es widerhallte sich abermals – ein gefühltes hundertjähriges Echo. Mit jeder Wiederholung empfing Ajatuk visuelle Signale ihrer Umgebung. Alle Elemente um sie herum waren ihr bekannt aber noch nie hatte sie ihnen so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Es sah so aus als schwebte ihr Kopf in einem liquiden, Polarlichter-verzerrendem Spiegel. Eine angenehme Wärme verspürte sie an ihrem Körper. Genau dieselbe Wärme, welche sie vor Sekundenbruchteilen an ihrer Hand verspürte und fälschlicherweise als Horaks Schnauze interpretierte. Da schoss ihr eine gelb-orange flackernde Lichtquelle in die Augen. Und wieder der Umriss… wer war das?! Sie bewegte sich in Richtung der Lichtquelle in der Hoffnung einen besseren Blick zu gewinnen. Das Fortbewegen fühlte sich völlig schwerelos an, als wäre sie auf dem Mond. Ihre Gedanken schossen wie eine Rakete mondwärts. «Was wäre wohl interessanter, die Mondkrater oder eher die Mondmeere auskundschaften? Oder sogar die dunkle Seite des Mondes?  - Aber Stopp! Der Umriss! Eins nach dem Andern!» Usnea dämmerte es langsam was geschehen war. Die Lichtquelle, das Feuer, der Umriss, Usnea… und dann diese komische Flechte!
 Usnea kannte diese grenzenlose transzendente Welte schon gut. Als Schamanin war sie sich solche Exkursionen gewohnt. In weiser Voraussicht bereitete sie noch ein Feuer und einen kleinen Holzvorrat vor. Die warme Quelle, war einer ihrer Lieblingsorte. Nirgendwo sonst konnte man sich stundenlang draussen, in dieser polaren Kälte, aufhalten, Sterne - eingebettet in Polarlichtern – beobachten und eine Verbindung mit der Mitwelt aufbauen. Das mussten sie tun, um endlich Horaks Spur zu wittern. Es war noch keine 10 Minuten her, dass Usnea und Ajatuk diese Entscheidung trafen. Ajatuks Sehnsucht nach Horak war unermesslich. Sie wollte ihren Eisbären, mit dem flauschigen Fell, endlich wieder in die Arme nehmen können. Unter diesen Umständen und mit ihrem Vertrauen in Usnea, eine erfahrene Schamanin, dachte sich Ajatuk, dass auch sie den Schritt ins Unbekannte wagen will.
Usnea stieg zu Ajatuk, ins wohlig warme Wasser hinab. Ajatuk war nach wie vor von ihrer direkten Umgebung fasziniert. Jedes Wasserdampfwölkchen, welches sich von der Wasseroberfläche löste und in den Nachthimmel stieg, erschien ihr wie ein eigenes Universum. Ihre Gedanken waren aber klar und sie wusste, dass sie mit Usnea in guter Gesellschaft war. Dann passierte es! Urplötzlich katapultierte sich Ajatuks Bewusstsein in eine andere Dimension. Unerforscht, aber irgendwie doch bekannt. Sie meinte, sich selbst zu sehen - in einer farbigen Suppe und Usnea war auch neben ihr.
«Willkommen in der transzendenten Welt der Schamanen. Hier ist alles möglich und deiner Vorstellung sind keine Grenzen gesetzt. Halte immer dein Ziel und deine Absicht vor Augen.» hörte Ajatuk in Usneas beruhigender Stimme.

geschrieben von Maki